Eine Schale mit Essen auf einem Tisch.

Gegenwärtig sehen sich institutionelle Investoren mit geopolitischen Risiken, handelspolitischen Spannungen sowie abnehmender fiskalpolitischer Disziplin konfrontiert. Hinzu kommen Befürchtungen im Hinblick auf Rezessionsgefahren, Negativzinsen und Wechselkursverwerfungen. Die daraus resultierenden Marktvolatilitäten und Unsicherheiten stärken das Bedürfnis nach «wetterfesten» Portfolios, um das erwartete Rendite-Risiko-Profil möglichst robust zu machen.

TAKE-AWAYS

  • Schweizer Pensionskassen konzentrieren sich trotz Diversifikationstheorie weiterhin stark auf traditionelle Anlagen und den Heimmarkt.
  • Beobachtete Portfolios weisen Konzentrationsrisiken auf, dies als Resultat diverser Einflussfaktoren, die eine breitere Streuung behindern.
  • Ein Portfolio optimal zu diversifizieren, ist eine Daueraufgabe. Der Weg ist das Ziel.

Das sagt die Theorie

Die theoretische Lösung lieferte der US-Ökonom Harry Markowitz mit seiner Modernen Portfoliotheorie, wofür er 1990 den Wirtschaftsnobelpreis erhielt: Diversifikation. Wenn die getätigten Anlagen sehr breit gestreut werden, können Anleger bei gleich bleibendem Renditeziel das Risiko reduzieren. Um diese breite Streuung im Sinne des «Marktportfolios» zu erreichen, sollten möglichst alle verfügbaren Anlagen berücksichtigt werden. Die Kriterien reichen somit von Anlagekategorien (traditionell und alternativ), Regionen und Ländern (Industrie- und Entwicklungsländer), Sektoren und Branchen, Firmengrössen (Large und Small Caps) und Schuldnern (Staaten und Unternehmen) bis zu Markteigenschaften (öffentliche und private, liquide und illiquide Märkte).

Wie sieht die Realität aus?

Die effektiv zu beobachtende Zusammensetzung der Anlageportfolios von Schweizer Vorsorgeeinrichtungen zeigt jedoch – zumindest teilweise – ein anderes Bild. Diese konzentrieren sich schwergewichtig auf traditionelle Anlagen wie Aktien, Obligationen und Immobilien. Alternative Anlagen machen zusammen weniger als 10 Prozent aus. Zudem herrscht noch immer ein ausgeprägter Home Bias: Bei Immobilien wird fast ausschliesslich im Inland investiert; Obligationen in Schweizer Franken bilden mit rund zwei Dritteln das Gros der Nominalwertquote, obwohl sich das Währungsrisiko von Fremdwährungsanleihen einfach absichern lässt; Schweizer Aktien machen rund einen Drittel der Aktienallokation aus, obschon die weltweite Marktkapitalisierung der Schweizer Titel nur rund 2 Prozent (gemessen am MSCI World) beträgt. Entwicklungsländer und Small Caps sind hingegen häufig untergewichtet oder gar nicht berücksichtigt. Der Home Bias beeinflusst auch die Branchenallokation, indem beispielsweise der IT-Sektor, der zurzeit weltweit grösste Sektor, deutlich untergewichtet ist. Die geringe Exposition gegenüber alternativen Anlagen führt zu einem starken Fokus auf öffentliche Märkte.

Ein wetterfestes, optimal diversifiziertes Portfolio ist ein Ziel, auf das hingearbeitet werden sollte. Ob es im Sinne der theoretischen Vorgabe erreicht werden kann, ist
zweitrangig.
Sven Ebeling

Was sind die Ursachen?

Warum wird die Theorie nicht konsequent umgesetzt? Die Vorsorgeeinrichtungen sehen sich bei der Festlegung ihrer Anlagestrategie diversen Einflussfaktoren ausgesetzt. Obschon völlig unterschiedlich, sind diese nur bedingt förderlich, um der Idee von Markowitz nachzuleben. Sie steigern oftmals sogar die Bildung von Konzentrationsrisiken.

Acht ausgewählte Einflussfaktoren

  • Obschon die regulatorischen Rahmenbedingungen, insbesondere die BVV 2, ausdrücklich eine Streuung der Anlagen fordern, limitieren sie gleichzeitig qualitativ und quantitativ das zulässige Anlageuniversum und die einzelnen Anlagekategorien.
  • ALM-Studien berücksichtigen die objektive, über die Verpflichtungen getriebene Risikofähigkeit und die subjektive Risikobereitschaft einer Kasse. Dies garantiert jedoch nicht, dass keine Konzentrationsrisiken eingegangen werden. Und besonders wichtig: Die zugrunde liegenden verwendeten Rendite-, Risiko- und Korrelationseigenschaften der betrachteten Anlagen können variieren und damit die Strategieempfehlung signifikant beeinflussen.
  • Bei der tatsächlichen Umsetzung von Anlagestrategien müssen Handelbarkeit (Liquidität), Investierbarkeit (Marktzugang), Kosten, Steuern sowie rechtliche Rahmenbedingungen (Rechtssicherheit und Eigentumsrechte) berücksichtigt werden. Dies geht meist zulasten einer breiteren Diversifikation oder der Nutzung von Illiquiditätsprämien.
  • Der Anlagehorizont erweist sich kürzer als angenommen. Dadurch erhalten kurzfristige Schwankungen übermässiges Gewicht. Die Deckungsgrad-Prüfung erfolgt jährlich, und eine mögliche Teilliquidation ist jederzeit zu berücksichtigen.
  • Know-how, Daten und erforderliche Transparenz in Bezug auf alternative Anlagen sind teilweise nur unzureichend vorhanden.
  • Börsenindizes, die als Benchmark dienen, haben inhärente Konzentrationsrisiken. So beträgt das Gewicht der fünf grössten Titel im SPI fast 50 Prozent, jenes der zehn grössten Titel im MSCI World über 25 Prozent. Dies löst regelmässig Debatten aus über die Frage, ob eine Orientierung an der Marktkapitalisierung der richtige Ansatz ist, bei Aktien und insbesondere bei Obligationen.
  • Subjektive Präferenzen führen zum erwähnten Home Bias, wobei dieses Phänomen bei Anlegern in fast allen Industrienationen zu beobachten ist.
  • Neue Investitionskonzepte wie nachhaltiges Anlegen verändern das Verständnis eines holistischen Risikomanagements. Neue Faktoren wie die Biodiversität rücken ins Bewusstsein. Die Berücksichtigung von ESG-Konzepten oder Klimazielen kann zur Untergewichtung oder gar zum Ausschluss von stark mit fossilen Energien verbundenen Unternehmen führen. Im Krisenjahr 2022 erzielte der Energiesektor jedoch als einer der wenigen Sektoren eine positive Rendite.

Unzureichend diversifizierte Portfolios bedeuten somit in aller Regel nicht, dass die Anleger einen «Free Lunch» verschmähen. Im Gegenteil: Meist sind handfeste und berechtigte Einflussfaktoren die Ursache.

Pragmatisches Vorgehen

Ein wetterfestes, optimal diversifiziertes Portfolio ist ein Ziel, auf das hingearbeitet werden sollte. Ob es im Sinn der theoretischen Vorgabe erreicht werden kann, ist zweitrangig. Die zugrunde liegende Idee ist massgebend. Dies bedeutet insbesondere, bewusst auf Konzentrationsrisiken zu achten und diese in ihrer Wirkung zu verstehen. So lassen sich diese begrenzen oder gar eliminieren, zumindest aber aktiv steuern. Dadurch können Anleger ein besseres Verhältnis zwischen der Rendite und den dafür eingegangenen Risiken erreichen.

Sven Ebeling

Sven Ebeling

Sven Ebeling ist seit Mitte 2021 zuständig für Key Client Projects und Consultant Coverage im Bereich Global Asset Servicing bei ÃÛ¶¹ÊÓÆµ. Zudem ist er seit 2024 Co-Head Asset Servicing Client Migration im Zusammenhang mit der Integration der ehemaligen Credit Suisse. Zuvor führte er während zehn Jahren den Geschäftsbereich ÃÛ¶¹ÊÓÆµ Asset Servicing Schweiz. Er hat über 50 Fachartikel zu Anlagethemen veröffentlicht, ist Dozent im Ausbildungsgang MAS Pensionskassen-Management der Hochschule Luzern und langjähriges Mitglied der Fachgruppe Kapitalanlagen der Zeitschrift «Schweizer Personalvorsorge».