Wenn Sie sich schon einmal gefragt haben, wie Finanzpolitik funktioniert oder worin der Unterschied zwischen Finanz- und Geldpolitik besteht, sind Sie nicht der Einzige. Tats?chlich dienen beide ¨C obwohl sie in vielerlei Hinsicht voneinander abh?ngig sind ¨C ganz unterschiedlichen Funktionen innerhalb der Wirtschaft.

Fr¨¹her sagte man schon mal, dass Wirtschaftswissenschaft ein Beruf in einem Elfenbeinturm ist: ?konomen arbeiten weit weg von den Alltagssorgen durchschnittlicher Menschen und besch?ftigen sich stattdessen mit theoretischen Modellen und Gleichungen. Wenn man allerdings ?konomen diese Frage stellt, w¨¹rden sie diese Behauptung nicht nur weit von sich weisen, sondern wir w¨¹rden feststellen, dass die wichtigsten Themen, die ?konomen untersuchen, die gleichen Fragen sind, mit denen sich auch B¨¹rger, Entscheidungstr?ger und Steuerzahler besch?ftigen. Kann Finanzpolitik das Wirtschaftswachstum steigern? Welchen Einfluss haben Zentralbanken und Geldpolitik wirklich auf die Gesellschaft? Welche Auswirkung hat Finanzpolitik auf Unternehmen?

Haushalt ausgleichen und Geld drucken: Der Unterschied zwischen Finanz- und Geldpolitik

Finn Kydland wurde 2004 f¨¹r seine Beitr?ge zur dynamischen Makro?konomik mit dem Nobelpreis ausgezeichnet; er hat die treibenden Kr?fte hinter Konjunkturzyklen und die Komponente der Zeitkonsistenz in der Wirtschaftspolitik ausgiebig erforscht. Er hat mehr als 50 wissenschaftliche Arbeiten ver?ffentlicht, von denen sich die meisten mit Geldpolitik besch?ftigen.

?Geldpolitik besteht in erster Linie darin, die Geschwindigkeit, mit der neues Geld geschaffen wird, zu kontrollieren; zumindest langfristig wird die Inflationsrate dadurch bestimmt, wie schnell der Geldvorrat erh?ht wird,¡° erkl?rt Kydland. ?Finanzpolitik hat direkt etwas mit dem Regierungshaushalt zu tun. Die Regierung muss einen bestimmten Betrag f¨¹r Waren und Dienstleistungen ausgeben. Sie muss auch Zinsen auf ihre ausstehenden Schulden bezahlen. Und sie muss, genau wie Sie und ich, das Geld irgendwo her kriegen, muss den Haushalt ausgleichen. Wir k?nnen nicht mehr ausgeben, als wir an Lohn verdienen. Die Regierung erh?lt ihre Einnahmen in erster Linie durch verschiedene Arten von Steuern. Sie kann m?gliche Fehlbetr?ge durch das Aufnehmen von Darlehen anf¨¹llen.¡°

?All dies zusammen bezeichnen wir als Finanzpolitik¡°, f?hrt er fort. ?Bei beiden Arten der Politik beeinflusst die Ansicht der Entscheidungstr?ger dar¨¹ber, wie die Politik in der Zukunft sein wird, das, was sie heute tun. Im Geldbereich heisst das zum Beispiel, dass, wenn man annimmt, dass die Zentralbank die Geschwindigkeit, mit der sie Geld schafft, erh?hen wird, die heutigen Preise steigen werden. Preise warten nicht, bis die tats?chliche Beschleunigung erfolgt, so lange die Menschen es glauben.¡°

Wenn ein Land die Geschwindigkeit, mit der es Geld druckt, erh?ht, besteht das Risiko einer Hyperinflation. Bei einer Hyperinflation steigen die Preise f¨¹r Waren und Dienstleistungen dramatisch, w?hrend der reale Wert einer W?hrung f?llt. Dies geschah in Deutschland in den 1920er Jahren und in verschiedenen L?ndern in Lateinamerika in den 1980er Jahren. Hyperinflation ist auch der Grund f¨¹r die W?hrungsinstabilit?t von Venezuela, die 2016 begann. Laut ist die Inflationswelle von Venezuela, die mittlerweile schon sechs Jahre andauert, eine der l?ngsten der Welt.

Ich w¨¹rde sagen, dass im Grossen und Ganzen die Finanzpolitik wirklich f¨¹r echtes nachhaltiges Wachstum wichtig ist.
¨C Finn Kydland

?Was Finanzpolitik und insbesondere Steuerpolitik anbetrifft, so sind zukunftsweisende, wachstumsf?rdernde Entscheidungen ¨¹ber innovative Massnahmen und das Schaffen von neuem Kapital, neuen Fabriken, neuen Maschinen, B¨¹rogeb?uden und so weiter zu dem Zeitpunkt teuer, wenn diese Aktivit?ten stattfinden¡°, erkl?rt Kydland. ?Die Eink¨¹nfte werden erst dann generiert, nachdem die Massnahmen abgeschlossen sind. An diesem Punkt kann Finanzpolitik sehr wichtig sein, denn diese Eink¨¹nfte werden in zwei, drei, f¨¹nf oder zehn Jahren als Steuern deklariert. Ich w¨¹rde also sagen, dass ¨C ausser vielleicht in einem Notfall oder ?hnlichem ¨C die Finanzpolitik wirklich wichtig f¨¹r echtes nachhaltiges Wirtschaftswachstum ist.¡°

50 Jahre Erkenntnisse

Die Nobelpreistr?ger Thomas Sargent und Christopher Sims, denen dieser Preis im Jahr 2011 gemeinsam verliehen wurde, stimmen hinsichtlich der praktischen Bedeutung der Finanzpolitik ¨¹berein und untersuchen, wie Finanzpolitik das Wirtschaftswachstum ankurbeln kann und wo sie an ihre Grenzen st?sst.

?Bestimmte Formen der Finanzpolitik k?nnen eine unmittelbarere Auswirkung haben¡°, meint Sims. ?Wenn in der Wirtschaft viele ungenutzte Ressourcen vorhanden sind, kann die Regierung Leute einstellen und ziemlich schnell mit dem Bau von Sachen beginnen. Dabei entstehen Verz?gerungen nicht so sehr durch die Auswirkung der Massnahme auf die Wirtschaft, sondern vielmehr im politischen Prozess, um ?nderungen der Finanzpolitik wirklich umzusetzen.¡°

?Das Verm?gen der Finanzpolitik, sich auf die Wirtschaft auszuwirken, ist aufgrund von Steuern und Investitionen gross¡°, best?tigt Sargent. ?Die Zentralbank ist hierbei nur ein Randprogramm. Dies ist vielleicht nicht das, was man in den Nachrichten h?rt, aber als eine erste Ann?herung ist es ein Ausgangspunkt. Wenn wir uns grosse Ereignisse ansehen, bei denen Regierungen eine enorme Auswirkung auf Menschen hatten, dann war dies aufgrund von Finanzpolitik, durch Steuern. Ich sollte dies vermutlich nicht sagen, aber es ist wahr.¡°

Der etwas kontroverse Aspekt dieser Bemerkung ist begr¨¹ndet in der Tatsache, dass dies nicht immer der Haltung von Wirtschaftswissenschaftlern entsprach. Eine der wichtigsten wirtschaftswissenschaftlichen Ver?ffentlichungen des 20. Jahrhunderts war (zu Deutsch: Die Rolle der Geldpolitik) von Milton Friedman in 1968. Darin argumentierte Friedman, dass Zentralbanken auf lange Sicht keinen Einfluss auf Arbeitslosigkeit und Zinss?tze h?tten. Was die Geldpolitik sehr wohl tun k?nne, wie er schrieb, sei, zu verhindern, dass das Geld selbst zu einer wesentlichen Quelle von wirtschaftlicher St?rung werde, und einen stabilen Hintergrund f¨¹r die Wirtschaft zu schaffen.

?Politik reagiert auf den Zustand der Wirtschaft, folglich bewegt sich der Zinssatz, weil sich andere Dinge in der Wirtschaft ver?ndert haben¡°, sagt Sims. ?Wenn aber Politik umgesetzt wird, reagiert die Wirtschaft. Und in dieser Hinsicht sind diese Beziehungen wechselseitig.¡°

Wenn wir uns grosse Ereignisse ansehen, bei denen Regierungen eine enorme Auswirkung auf Menschen hatten, dann war dies aufgrund von Finanzpolitik, durch Steuern.
¨C Thomas Sargent

Wirtschaftspolitik f¨¹r unsichere Zeiten

Sims hat unter Verwendung von regulierten Methoden Modelle erstellt, die darauf hindeuten, dass eine Straffung der Geldpolitik in normalen Zeiten etwa ein Jahr ben?tigt, bis sie ihre volle Auswirkung auf die wirtschaftliche Aktivit?t entfaltet, und noch etwas l?nger, bis sie ihre volle Auswirkung auf die Inflation entfaltet. Diese Arten von Methoden und Sch?tzungen sind wichtig bei der Modellierung f¨¹r unsichere Zeiten, Ereignisse wie Rezessionen oder Pandemien.

?Eines unserer Probleme tritt dann ein, wenn eine Wirtschaft in Rezession absinkt; normalerweise wissen wir das erst nach etwa sechs Monaten oder sp?ter, nachdem es bereits geschehen ist. Dies liegt daran, dass Daten fehlen,¡° erkl?rt Sims. ?Das bedeutet, dass selbst die Finanzpolitik, auch wenn sie schnell angewendet wird, in der Regel etwas sp?t dran ist. Darum haben wir Rezessionen, denn wenn wir w¨¹ssten, wann sie eintreten, k?nnten wir Massnahmen ergreifen, um sie zu verhindern.¡°

?Dies ist einer der Gr¨¹nde, warum Zentralbanken denken, sie m¨¹ssten Zinssatz?nderungen voraussehen, denn sie wissen, dass jede von ihnen ergriffene Massnahme sich nur langsam auf die Wirtschaft auswirkt,¡° f¨¹gt er hinzu. ?Wenn sie warten, bis die Inflation tats?chlich viel niedriger oder h?her als ihr angestrebter Wert ist, wird es lange dauern, um wieder auf den Zielwert zu gelangen.¡°

W?hrend die Auswirkung von Finanz- und Geldpolitik auf Unternehmen und die allgemeine Gesundheit der Wirtschaft klar ist, ist ein neuerer Ansatz die Erforschung der Verbindung zwischen Geldpolitik und Gleichheit. Nobelpreistr?ger Joseph Stiglitz glaubt nicht, dass es eine Wunderl?sung gibt, um Ungleichheiten, die w?hrend der letzten Jahrzehnte geschaffen und aufrechterhalten wurden, r¨¹ckg?ngig zu machen; er sieht jedoch eine Chance im engen Zusammenwirken mehrerer politischer Massnahmen, um einen erheblichen Unterschied bewirken zu k?nnen. Progressive Einkommenssteuern, Investitionsprogramme, sichere Renten und Zugang zu Gesundheitsversorgung sind nur einige der Bereiche, die seiner Meinung nach bessere Politiken erfordern.

?Gleichheit ist in der Tat etwas, das jeden Aspekt der Politik betrifft. W?hrend Ungleichheit zu einem der dominierenden Probleme in unserer Gesellschaft geworden ist, m¨¹ssen wir aus diesem Blickwinkel untersuchen, wie sich Politik auf Ungleichheit auswirkt,¡° so Stiglitz. ??ber Ungleichheit wurde in der Regel bei Zentralbanken nicht gesprochen. Heute wissen wir jedoch, dass Geldpolitik bei der Steigerung von Ungleichheit und Wohlstand eine sehr grosse Rolle gespielt hat. Die Zentralbanken k?nnen die Auswirkungen, die ihre Politik auf Ungleichheit hat, also nicht einfach ignorieren.¡°

Heute wissen wir jedoch, dass Geldpolitik bei der Steigerung von Ungleichheit und Wohlstand eine sehr grosse Rolle gespielt hat. Zentralbanken k?nnen die Auswirkungen, die ihre Politik auf Ungleichheit hat, nicht einfach ignorieren.
¨C Joseph Stiglitz

Kydland sieht ebenfalls einen Bedarf f¨¹r neue Verpflichtungen, um sicherzustellen, dass Finanz- und Geldpolitik zum Schaffen langfristiger Stabilit?t eingesetzt werden.

?Es besteht ein Bedarf f¨¹r einen Verpflichtungsmechanismus, eine M?glichkeit, um eine Regierung zu einer guten Politik ¨¹ber einen angemessen langen Zeitraum zu verpflichten¡°, sagt Kydland. ?Das beste Beispiel f¨¹r einen derartigen Verpflichtungsmechanismus ist die Idee, Zentralbanken unabh?ngig von politischem Druck zu machen. Wenn man Nationen in Bezug auf ihre Unabh?ngigkeit von den Zentralbanken einstuft, zeigt sich, dass Geldpolitik unter unabh?ngigen Zentralbanken in der Regel besser ist.¡°

?In der Arena der Finanzpolitik ist es weitaus schwieriger. Es gibt kein Analog zu einer Zentralbank, die Finanzpolitik macht,¡° stellt er fest. ?Diese wird an der Wahlurne bestimmt. Wie man sich einer guten zuk¨¹nftigen Finanzpolitik verpflichtet, ist etwas, dass ich heutzutage als besonders wichtig ansehe.¡°

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