Wichtige Punkte

  • Künstliche Intelligenz und grosse Sprachmodelle könnten die Art und Weise, wie Pharmaunternehmen mit Daten, Informationen und Interaktionen umgehen, revolutionieren und möglicherweise die herkömmliche Diagnose und Behandlung von Krankheiten verändern.
  • Pharmaunternehmen geben jährlich 30 bis 50 Milliarden US-Dollar für das Arzneimittelmarketing aus, wobei der grösste Teil davon in die Betreuung von medizinischen Fachkräften fliesst, gefolgt von Direktvertrieb und digitalem Marketing.
  • Fortschrittliche, KI-gesteuerte medizinische Chatbots haben eine bemerkenswerte Diagnosegenauigkeit gezeigt, wobei Studien eine Genauigkeitsrate von 90 % für KI-Chatbots allein im Vergleich zu 76 % für KI-unterstützte Ärzte ergeben haben.
  • Die Integration von KI in die Arzneimittelvermarktung könnte die traditionelle Rollenverteilung aufbrechen, wobei KI-gestütztes E-Detailing eine Bedrohung für Vertriebsmitarbeiter darstellt und möglicherweise die Beziehungen zwischen Arzt und Patient neu definiert.

Die Vermarktung von Arzneimitteln oder die pharmazeutische Marketingindustrie ist riesig, läuft jedoch oft im Verborgenen ab. In der Vergangenheit richteten Pharmaunternehmen ihre Marketingbemühungen in erster Linie an zwei Zielgruppen: medizinische Fachkräfte und Patienten. Diese geschah in verschiedenen Formen, darunter persönliche Interaktionen, traditionelle Medien, soziale Medien und digitale Plattformen. Der rasante Aufstieg der Künstlichen Intelligenz (KI) und grosser Sprachmodelle (LLM) könnten jedoch zu neuen Möglichkeiten der Verwaltung von Daten, Informationen und Interaktionen führen und letztlich das traditionelle Modell der Krankheitsdiagnose und -behandlung verändern.

Der Stand der Arzneimittelvermarktung heute

Weltweit geben Pharmaunternehmen jährlich zwischen 30 und 50 Mrd. US-Dollar für Arzneimittelmarketing aus, hauptsächlich für neu eingeführte Medikamente. Die Marketingausgaben nehmen mit dem Auslaufen von Patenten allmählich ab. Solche Ausgaben fallen hauptsächlich in drei Hauptkategorien:

  • Marketing für medizinische Fachkräfte (20–25 Milliarden USD)
    Der Grossteil des gesamten Marketingbudgets wird für die Arzneimittelwerbung bei medizinischen Fachkräften verwendet. In der Regel handelt es sich dabei um Handelsvertreter, die bei persönlichen Treffen mit medizinischen Fachkräften Broschüren, Nachdrucke klinischer Studien und Arzneimittelproben verteilen. Die Effektivität dieser Interaktionen wird jedoch häufig durch die begrenzte Zeit eingeschränkt, die Ärzte aufbringen können, wodurch die Besuche der Handelsvertreter in der Regel nur wenige Minuten dauern.
  • Kunden-Direktvertrieb (6–8 Milliarden USD)
    Während die Werbung für rezeptfreie Medikamente in den meisten Ländern erlaubt ist, ist die Vermarktung von verschreibungspflichtigen Medikamenten stark reguliert und nur in den USA in grossem Umfang erlaubt. Dies unterscheidet die USA vom Rest der Welt in Bezug auf die Einführung und Akzeptanz neuer Produkte sowie die Innovation um medizinische Geräte. Diese Praxis ist nicht unumstritten. Kritiker argumentieren, dass ein solches Marketing die Gesundheitskosten in die Höhe treibt und die Patienten in die Irre führt, während Befürworter artikulieren, dass es das Bewusstsein für Krankheiten schärft und das mit einigen chronischen Krankheiten verbundene Stigma abbaut. Zu den Erfolgsgeschichten des Direktvertriebs gehören das Blockbuster-Medikament Viagra von Pfizer gegen erektile Dysfunktion, selbst nachdem die Patente 2020 abgelaufen sind, das Immuntherapie-Medikament Keytruda von Merck für Lungenkrebspatienten und das Medikament Humira von AbbVie gegen rheumatoide und psoriatische Arthritis.
  • Digitales Marketing (3–5 Millarden USD)
    Beschleunigt wurde die Einführung des digitalen Marketings in der Branche durch die COVID-19-Pandemie. In dieser Zeit erprobten die Menschen Telemedizin, Online-Webinare oder soziale Medien und konnten damit einige Erfolge verzeichnen. Als sich das Leben wieder normalisierte, konnten diese Plattformen jedoch nicht mehr die ambitiösen Ziele erreichen, die sie sich auf dem Höhepunkt des Lockdowns gesetzt hatten. Diesmal scheint das Aufkommen der LLM jedoch anders zu sein. Die KI-Ärzte klingen allmählich wie echte Ärzte, die menschliche Sprache und nicht nur Computercodes verstehen können.

Sind KI-Ärzte besser im Diagnostizieren von Patienten?

Das Konzept der KI-gesteuerten medizinischen Chatbots ist nicht neu, aber das Aufkommen fortschrittlicher LLMs wie ChatGPT hat die Diagnosegenauigkeit und die Konversationsfähigkeiten auf ein beispielloses Niveau gehoben. Einige glauben, dass die Chat-Schnittstelle der Gamechanger war.2 Obwohl diese Instrumente von den Ärzten bisher nur in begrenztem Umfang genutzt werden, mehren sich die Hinweise darauf, dass ihr Potenzial zur Steigerung der Produktivität im Gesundheitswesen immens ist.

Eine im November 20243 in JAMA veröffentlichte Forschungsarbeit unterstreicht dieses Potenzial (siehe Abbildung 1 für den Studienablauf). Ursprünglich dazu gedacht, die diagnostische Genauigkeit von Ärzten, die KI verwenden, mit der von Ärzten zu vergleichen, die herkömmliche Ressourcen wie Suchmaschinen nutzen, kam die Studie zu einem überraschenden Ergebnis: Während die Genauigkeit der KI-unterstützten Ärzte (76 %) nur geringfügig höher war als die der Ärzte, die herkömmliche Ressourcen nutzten (74 %), erreichte der KI-Chatbot allein eine bemerkenswerte Genauigkeitsrate von 90 % (siehe Abbildung 2).

Abbildung 1: Diagramm des Studienablaufs

Eine schematische Darstellung, die den Ablauf der Studie zeigt.

Eine schematische Darstellung, die den Ablauf der Studie zeigt. Dabei werden 25 Ärzte von GPT unterstützt und 25 Ärzte nutzen konventionelle Ressourcen, um sechs Diagnosefälle innerhalb von 1 Stunde abzuschliessen.

Abbildung 2: Medianwert des Diagnosebegründungstests

Drei Tortendiagramme zeigen die Genauigkeit von KI-unterstützten Ärzten von im Vergleich zu die von konventionellen Ressourcen unterstützt werden, im Vergleich zu bei LLM allein.

Drei Tortendiagramme zeigen die Genauigkeit von KI-unterstützten Ärzten von 76 % im Vergleich zu 74 %, die von konventionellen Ressourcen unterstützt werden, im Vergleich zu 90 % bei LLM allein.

Interessanterweise wies die Studie darauf hin, dass Ärzte eher zögerlich sind, wenn es darum geht, ihren Denkprozess von KI leiten zu lassen, obwohl LLMs bemerkenswerte menschenähnliche Argumentationsfähigkeiten bewiesen haben. Man könnte sogar argumentieren, dass KI in Fällen von grossen und komplexen Datenmengen, die die Verarbeitungskapazität des menschlichen Gehirns übersteigen, sogar noch bessere Ergebnisse erzielen sollte.

Veränderung der Einstellung von Patienten und Ärzten

Frühere Studien haben gezeigt, dass Patienten der KI-Diagnostik nur zögerlich vertrauen.4 Dies könnte sich jedoch schnell ändern, wenn weitere Studien belegen, dass KI eine höhere Diagnosegenauigkeit liefern kann. Es bleibt unklar, wie sich diese Verschiebung auf die traditionelle Arzt-Patienten-Beziehung auswirken könnte.

Für Handelsvertreter könnte KI-gestütztes E-Detailing eine echte Bedrohung darstellen. Stellen Sie sich einen KI-Verkäufer vor, der jedes einzelne Detail über ein bestimmtes Medikament (oder jedes beliebige Medikament) kennt und die Anfrage eines Arztes zu jeder Tageszeit beantworten kann. In der Vergangenheit standen der persönliche Kontakt und die langjährige Vertrauensbeziehung zwischen Arzt und Handelsvertreter im Vordergrund. Mit KI wären Ärzte nun besser auf die Zusammenarbeit mit den Vertriebsmitarbeitern vorbereitet.

KI verändert die Dynamik der Arzneimittelvermarktung

Die Integration von LLM-basierten KI-Chatbots in die Arzneimittelvermarktung wird wahrscheinlich tiefgreifendere Auswirkungen haben als alle bisherigen digitalen Tools. Wichtige Stakeholder – Ärzte, Patienten und Pharmaunternehmen – werden KI weiterhin in ihre täglichen Arbeitsabläufe integrieren und erhebliche Produktivitätssteigerungen erzielen. Die Konvergenz von KI und Gesundheitswesen könnte einen Paradigmenwechsel einleiten, der die Rollen der Stakeholder im Gesundheitsökosystem neu definiert und folglich die Einnahmen und Gewinnanteile bei der weltweiten Vermarktung von Medikamenten neu verteilt. Wir sind bestrebt, Unternehmen zu identifizieren, die bei der Erschliessung des enormen Pharmamarketing-Budgets an vorderster Front stehen, und sind gespannt, die Entstehung neuartiger Geschäftsmodelle mitzuerleben.

S-04/25 M-001107

ܲú±ð°ù den Verfasser
  • Fang Liu

    Fang Liu

    CFA, Portfolio manager, Thematic Equities

    Fang Liu ist Senior Portfolio Manager für die Digital Health Equity Strategie im Thematic Equity Team bei ÃÛ¶¹ÊÓÆµ Asset Management. Bevor Fang im Februar 2020 dem Team beitrat, war sie drei Jahre lang Teil des Aktienanlageteams der Calibrium AG und verwaltete dort einige globale, auf alle Sektoren konzentrierte High-Conviction-Strategien. Davor war sie seit 2015 bei Lombard Odier als Aktienanalystin im Thementeam tätig. Fang war vier Jahre lang als akademische Forscherin an der IMD Business School tätig, wo sie umfassende Forschungskompetenzen und ein breites Branchen- und Sektorwissen erwarb. Fang hat einen Master-Abschluss in Management von der Universität Lausanne (HEC) und ist CFA Charterholder, Mitglied des CFA Institute und der CFA Society of Zurich.

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