Zwei Paradigmen: regulierte Versorger beidseits des Atlantik
Wir vergleichen die Regulierung und die Aufsichtsmodelle für Versorger in den USA und in Europa sowie ihre Bedeutung für Anleger
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Wir vergleichen die Regulierung und die Aufsichtsmodelle für Versorger in den USA und in Europa sowie ihre Bedeutung für Anleger
Wichtige Punkte
An Märkten, an denen die Konsumenten ihren Strom-, Gas- oder Wasserversorger nicht frei wählen können, haben sie es mit einem monopolistischen Dienstleister zu tun. Aufgrund der enormen Investitionen, die nötig sind, um solche Dienstleistungen bereitzustellen, ist dies an vielen Märkten der Fall. Um ein wettbewerbswidriges Verhalten zu vermeiden, müssen natürliche Monopole reguliert werden. Weltweit gibt es verschiedene regulatorische Modelle. Dieser Artikel vergleicht das kostenbasierte System der USA mit dem europäischen Modell der Preisdeckelung und Anreize, wobei der Schwerpunkt auf Stromversorgern liegt. Er untersucht, wie diese verschiedenen Rahmenkonzepte funktionieren und wie sie die Anlageergebnisse beeinflussen.
Eine kurze Geschichte der Regulierung von Versorgern
Nach der Weltwirtschaftskrise war der Versorgungssektor der USA stark konzentriert, was Besorgnis über monopolistische Praktiken auslöste. Als Antwort darauf erliess der US-Kongress 1935 den Public Utility Holding Company Act (PUHCA), der eine staatliche Aufsicht einführte, um missbräuchliche Preisstrategien zu unterbinden. Das Gesetz ermächtigte die US-Börsenaufsicht Securities and Exchange Commission (SEC), in mehreren Bundesstaaten tätige Versorger zu beaufsichtigen, Preisformeln vorzugeben und eine Kosteninflation durch künstliche Erweiterung der regulatorischen Vermögensbasis einzudämmen.1
Der Ölpreisschock der 1970er Jahre löste eine Energiekrise aus und beschleunigte die Entwicklung alternativer Stromquellen, wie Kernenergie. Bis zur Mitte der 1990er Jahre reichten einige, an deregulierten Märkten tätige Versorger, die hohen Kosten der Investitionen in die Atom-Infrastruktur an die Konsumenten weiter. In einigen Bundesstaaten erwies sich die Deregulierung jedoch als problematisch, insbesondere in Kalifornien und Montana, wo Versorger gezwungen waren, Strom zu hohen Preisen von unabhängigen Erzeugern zukaufen. Dies führte zu finanziellen Problemen und – in einigen Fällen – zu staatlichen Rettungsmassnahmen.2
Eine entscheidende Wende brachte der Energy Policy Act von 2005, der die regulatorischen Zuständigkeiten umriss: Bundesstaaten übergreifende Aufgaben wurden der Federal Energy Regulatory Commission (FERC) übertragen, während die Regulierung innerhalb einzelner Bundesstaaten bei der bundesstaatlichen Gerichtsbarkeit verblieb. Infolgedessen hatten einige US-Bundesstaaten weiterhin voll regulierte Strommärkte, während andere auf wettbewerbsorientierte, deregulierte Modelle setzten (Abbildung 1).
Auf der anderen Seite des Atlantik stiess die Regierung von Margaret Thatcher in den 1980er Jahren eine Privatisierungswelle an. Dies begann mit dem Verkauf von British Telecom 1984 und wurde später auch auf Gas-, Wasser- und Stromversorger ausgeweitet.3 Das Ergebnis war ein neuer regulatorischer Rahmen, die RPI-X Regulation, die ursprünglich 1983 von Stephen Littlechild für den Telekommunikationssektor konzipiert wurde. Nach diesem Modell wurden die Umsatzerlöse von Versorgern aus regulierten Vermögenswerten (regulated asset base, kurz RAB) inflationsbereinigt, real gedeckelt, wobei der Faktor X als Anreiz für Effizienzgewinne während des Regulierungszeitraums dienen sollte.4
Der Rahmen wurde weiterentwickelt, wobei Mechanismen für die Weiterreichung von Rohstoffkosten durch Gas-, Wasser- und Stromversorger einbezogen wurden. Der neue Rahmen wird als RPI-X+Y bezeichnet, wobei Y für die Komponente der Kostenweiterreichung steht. Vor Kurzem führte Grossbritannien das RIIO-Modell ein. Die Abkürzung steht für Revenue = Incentives + Innovation + Outputs (Einnahmen = Anreize + Innovation + Leistungen). Dieses Modell beinhaltet Gesamtkostenkontrollen, leistungsbasierte Anreize und Innovationszuschüsse. RIIO-1 wurde von Ofgem, der Regulierungsbehörde für die britische Stromwirtschaft 2010 eingeführt5 (Abbildung 2). Mittlerweile ist das Nachfolgemodell RIIO-2 in Kraft, das für den Regulierungszeitraum 2021 bis 2028 gilt.6
In Grossbritannien zulässige Komponenten der Umsatzerlöse
Was macht ein regulatorisches Regime attraktiv?
Ein Vergleich der Renditen in verschiedenen Rechtsordnungen erfordert mehr als einige Gesamtzahlen. Die Basisrendite von 9% eines Mehrspartenversorgers in den USA ist nicht zwangsläufig attraktiver als die Vorsteuerrendite von 6,1% eines deutschen Verteilungsunternehmens, vor allem wenn man die Renditedifferenz von 2 Prozentpunkten zwischen US-Treasuries und deutschen Bundesanleihen miteinrechnet und berücksichtigt, dass die Differenz zwischen den Eigenkapitalkosten und der Eigenkapitalrendite der entscheidende Faktor ist. Ungeachtet des regulatorischen Modells – Kostenaufschlagsmethode oder RAB mit Preisdeckelung und Anreizen – sollten bei der Beurteilung der Attraktivität eines regulatorischen Regimes, sei es auf bundesstaatlicher Ebene in den USA oder auf der nationalen Ebene in Europa, einige wichtige Faktoren beachtet werden:
Umgang mit regulatorischen Risken
Regulierte Versorger bieten Anlegern eine hohe Prognosesicherheit der Gewinne. Dieser Vorteil könnte jedoch durch potenzielle regulatorische Änderungen zunichte gemacht werden. Um die Renditen zu erhalten oder zu verbessern, verfolgen Versorger in der Regel Strategien wie den Ausbau ihrer regulierten Vermögensbasis (RAB) durch Investitionen oder die Reduzierung von Betriebskosten. Ausserdem haben sie Anreize, höhere zulässige Eigenkapitalrenditen (ROE) anzustreben, um das Risikoprofil ihrer Investitionen zu berücksichtigen.7 Regulatorische ܲú±ð°ùprüfungen rufen Unsicherheit hervor, hauptsächlich aufgrund der Informationsasymmetrie zwischen Versorgern und Regulierungsbehörden. In einer Studie, bei der 3500 regulatorische Verfahren über vier Jahrzehnte hinweg untersucht wurden, stellten Dunkle Werner und Jarvis (2024)8 fest, dass die durchschnittlichen zulässigen Eigenkapitalrenditen bei 9,92% lagen, um 0,39% unter den geforderten Sätzen. Im Vorfeld solcher ܲú±ð°ùprüfungen wirken die Versorger auf die Regulierungsbehörden ein, um massgebliche Parameter zu beeinflussen, während die Anleger die Entwicklungen aufmerksam beobachten, da die Bewertungen von Versorgern stark vom regulatorischen Ergebnis abhängen. Letztendlich sind Unternehmen, die gute Beziehungen zu den Regulierungsbehörden pflegen und einen soliden Leistungsausweis vorweisen können, besser aufgestellt, um regulatorische Risiken abzufangen. Dies unterstützt stabile Renditen und rechtfertigt Bewertungsaufschläge.
Auswirkungen für die Kapitalanlage
Aufgrund der unterschiedlichen regulatorischen Regimes ist es zwangsläufig schwierig, die Rentabilität regulierter Versorger zu vergleichen. Bestimmte regulatorische Merkmale – sowie die nachgewiesene Fähigkeit eines Versorgers, sich vorteilhafte Ergebnisse zu sichern – können jedoch dabei helfen, Unternehmen zu erkennen, die am besten in der Lage sind, längerfristig höhere Eigenkapitalrenditen zu erwirtschaften.
CFA, Senior Portfolio manager, Thematic Equities
Julio Giró ist Senior Portfoliomanager im Thematic Equity Team und leitender Portfoliomanager der Infrastructure Equity Strategie. Er begann seine Berufslaufbahn im Jahr 1992 als Sellside-Analyst für Versorger in Argentinien. Im Jahr 1997 wechselte er zu ÃÛ¶¹ÊÓÆµ, wo er lateinamerikanische Versorger analysierte. Danach weitete er seinen Zuständigkeitsbereich auf europäische Versorger und Finanzunternehmen aus und wurde im weiteren Verlauf Portfoliomanager. 2008 begann Julio Giró, europäische Strategien für qualitativ hochwertiges Wachstum zu verwalten und die weltweite Aktienauswahl für globale Income- und Value-Portfolios zu unterstützen. Julio Giró verfügt über einen MSc in Umweltmanagement von der University of London, einen MSc für Bank- und Finanzwesen von der Universität von Lausanne und einen Abschlusses in Betriebswirtschaft von der Universität von Buenos Aires. Julio Giró ist seit 1999 Chartered Financial Analyst (CFA).
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