Als Kenneth Arrow im Alter von 51 den Nobelpreis erhielt, war er der bis dahin j¨¹ngste ?konom, der die Auszeichnung erhalten hatte. Seine Prognosen und Empfehlungen haben turbulenten Zeiten standgehalten und dienen im Ringen um politische Gerechtigkeit und die Bewahrung der Demokratie als Hoffnungsschimmer. Arrow war fest davon ¨¹berzeugt, dass ?wenn die Welt nur aus selbsts¨¹chtigen Menschen best¨¹nde, sie keine paar Minuten ¨¹berstehen w¨¹rde?. Daher versuchte er, ein gerechtes und gesellschaftlich erstrebenswertes Wahlsystem zu schaffen. Zwar zeigten die Ergebnisse, dass dies ein aussichtsloses Unterfangen war, doch seine Arbeit markierte den Beginn (nicht das Ende) der Theorie kollektiver Entscheidungen. Das breite Spektrum seiner Themen reichte von allgemeinen Gleichgewichten und der Wohlfahrt bis hin zum Klimawandel und der Rassendiskriminierung, womit er jeden aufruft, sich f¨¹r Fairness und Menschlichkeit einzusetzen und stark zu machen.

Paul A. Samuelson

Kenneth J. Arrow

Alfred-Nobel-Ged?chtnispreis f¨¹r Wirtschaftswissenschaften (anteilig), 1972

Auf einen Blick

Geboren: 1921, New York City, New York

Gestorben: 2017, Palo Alto, Kalifornien

Fachgebiet: Mikro?konomie

Ausgezeichnetes Werk: Allgemeine Theorie des ?konomischen Gleichgewichts und Wohlfahrtstheorie

Ein Mathematik-Rebell: Fiel beinahe im Fach Rechnen in der Grundschule durch

S¨¹chtig nach: Wenn er es sich h?tte leisten k?nnen, h?tte er das ganze Haus mit Meisterwerken der Renaissance dekoriert

Grundeinstellung: ?Learning by Doing?

Die Anziehungskraft des Unm?glichen

Anstatt dem ¨¹blichen Weg zu folgen, f¨¹hlte sich Arrow von den grossen Herausforderungen des Lebens angezogen: der Gew?hrleistung von Gerechtigkeit, Fairness und Gleichheit. Vielleicht ist das auf seine Kindheit w?hrend der harten Zeit der Weltwirtschaftskrise zur¨¹ckzuf¨¹hren oder darauf, dass er eine ?ffentliche Schule und sp?ter eine ?ffentliche Universit?t besucht hat. Vielleicht war Kenneth Arrow aber auch einfach dazu bestimmt, die Welt zu ver?ndern.

Ironischerweise wurde er weltweit f¨¹r eine Theorie gefeiert, die belegte, dass es kein gerechtes Wahlsystem gibt. Um die Theorie zu veranschaulichen, nutzte Arrow das naheliegendste Beispiel: politische Wahlen. Im Jahr 1988 sagte er, jeder Laie sei in der Lage, die Herausforderung am Beispiel der Demokratie nachzuvollziehen. Als wir ihn in seinem Haus in Palo Alto trafen, beschrieb er die Thematik etwas ausf¨¹hrlicher. Wenn wir nur zwischen zwei Kandidaten w?hlen, ¨¹bermitteln wir keinerlei Informationen in Bezug auf die Intensit?t unserer Entscheidung. ?Nehmen wir an, wir h?tten stattdessen drei Kandidaten und jede Person erstellt eine Liste entsprechend ihrer Pr?ferenzen. Dann w¨¹rden wir bei jedem Kandidatenpaar schauen, welcher der Kandidaten dem anderen gegen¨¹ber die Mehrheit hat.? Dieses Vorgehen wird besonders interessant, wenn sich ein Kandidat aus irgendeinem Grund von der Wahl zur¨¹ckzieht. ?Dann bleibt nur noch der paarweise Vergleich?, schlussfolgert Arrow. Daraus w¨¹rde ein Paradox resultieren, welches man heute als Unm?glichkeitstheorem (nach Arrow) bezeichnet. Arrow zog ein Blatt Papier hervor und malte f¨¹r uns ein Diagramm:

  • 43 Stimmen A > B > C (43 Personen bevorzugen A gegen¨¹ber B und B gegen¨¹ber C)
  • 35 Stimmen B > C > A (35 Personen bevorzugen B gegen¨¹ber C und C gegen¨¹ber A)
  • 25 Stimmen C > A > B (25 Personen bevorzugen C gegen¨¹ber A und A gegen¨¹ber B)

Kandidat A hat die meisten Stimmen und w¨¹rde daher die Wahl gewinnen. Wenn jedoch Kandidat B seine Kandidatur zur¨¹ckzieht, w?re C der Gewinner, da mehr Menschen C gegen¨¹ber A vorziehen (A k?me auf 43 Stimmen und C auf 60). Eine einleuchtende Darstellung der Probleme eines solchen Wahlsystems. ?Es kann funktionieren?, sinniert Arrow in seinem Wohnzimmersessel, ?aber wir m¨¹ssen uns immer im Klaren dar¨¹ber sein, dass es auch Zweifel gibt.?

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Diktatur oder Demokratie: Welches System ist effizienter?

Ist die Demokratie die beste Regierungsform f¨¹r die Zukunft?

Die US-Pr?sidentschaftswahlen im Jahr 2016 brachten eine ?usserung Arrows wieder an die Oberfl?che: Eine tief gespaltene Demokratie kann nicht funktionieren. In einer wirtschaftlich turbulenten Zeit, die durch politische Instabilit?t in Europa und der arabischen Welt gepr?gt ist, l?sst Arrows Aussage zur Demokratie die aktuelle Situation in neuem Licht erscheinen.

Kenneth Arrow hat bereits nachgewiesen, dass die Ressourcen in einer Demokratie wesentlich effizienter verteilt sind als in einer Diktatur. ?Dank der Offenheit des Systems k?nnen Probleme fr¨¹hzeitig identifiziert werden.? Arrow konnte ¨C anhand von Beispielen wie der Terrorherrschaft Stalins und der Unf?higkeit Hitlers, Kr?fte zu mobilisieren ¨C aufzeigen, dass die Transparenz in einem demokratischen System, in welchem ein freier Informationsaustausch m?glich ist, dazu beitr?gt, dass ein solches System leistungsf?higer und damit totalit?ren Regimes gegen¨¹ber ¨¹berlegen ist.

Demokratie hat den Vorteil, dass sich abweichende Standpunkte herausbilden k?nnen, wodurch Regierungen Impulse f¨¹r ihr Handeln erhalten.

Vergleicht man Indien und China, beides L?nder mit einer hohen Bev?lkerungsdichte und schwierigen klimatischen Bedingungen, so lassen sich klare Muster in den Auswirkungen der Politik erkennen. ?Seit der Unabh?ngigkeit hat es in Indien praktisch keine Hungersnot mehr gegeben. China hatte aufgrund seiner Wirtschaftspolitik im Zuge der von Mao Zedong initiierten Kampagne ?Grosser Sprung nach vorn? unterdessen 10 bis 20 Millionen Tote infolge von Hungerkatastrophen zu beklagen.? Die beiden Beispiele verdeutlichen die Tatsache, dass in einem totalit?ren System, in welchem Informationen nicht so leicht an die ?ffentlichkeit gelangen, die Folgen der Politik lange unentdeckt bleiben k?nnen. Dadurch wird Widerspruch unterdr¨¹ckt.

Warum gelingt es Wissenschaftlern nicht, das Wohlergehen aller zu verbessern??

Ein Gespr?ch dar¨¹ber, wie ein System aussehen m¨¹sste, in dem es allen Menschen besser geht, brachte Arrow dazu, sich vorzustellen, wie das Paradies wohl aussehen w¨¹rde.

In der traditionellen Vorstellung vom Paradies gibt es keine konjunkturellen Probleme. Daher auch keine Notwendigkeit f¨¹r Wertpapierb?rsen, Geld oder Regierungspolitik. Ich meine damit, es gibt keine Notwendigkeit f¨¹r Demokratie, weil es keiner Regierung bedarf.

Doch Arrow weist darauf hin, dass sich selbst im Paradies einige Menschen auf den Fischfang spezialisieren und andere lieber als G?rtner arbeiten werden. ?Und vielleicht werden die G?rtner einige ihrer Fr¨¹chte gegen eine Extraportion Fisch eintauschen wollen, und fr¨¹her oder sp?ter entwickelt sich ein Markt. Der G?rtner wird einen Baum pflanzen wollen und muss sich daf¨¹r m?glicherweise Mittel leihen und so entsteht ein Aktienmarkt.?

Er hat seinen Punkt klar gemacht. Selbst im Paradies wiederholt sich der Kreislauf. ?Die allgemeine Vorstellung von Gesellschaft muss die Tatsache ber¨¹cksichtigen, dass die Menschen nicht alle gleich sind. Die Menschen sind aufeinander angewiesen, um ihre Bed¨¹rfnisse zu erf¨¹llen.?

K?nnen wir eine Politik gestalten, die f¨¹r ein besseres Wohlergehen aller sorgt?

Arrow merkte an, dass ?konomen im Vergleich zu anderen Naturwissenschaftlern einen grossen Nachteil haben. ?Ein Grund, warum die Naturwissenschaften erfolgreich waren, liegt in der M?glichkeit, Laborexperimente durchzuf¨¹hren. Man schaut sich nicht das gesamte System an, wenn man bestimmte Vorg?nge untersuchen will.?

Arrow war sich bewusst, dass in Stein gemeisselte Wirtschaftsprognosen ?usserst schwierig sind, da alle Beobachtungen aus der unkontrollierten Welt der M?rkte stammen. ?Leider l?sst sich unser Verst?ndnis nicht direkt in Regeln f¨¹r politische Kontrollmodelle umsetzen, um die angestrebten Ziele zu erreichen.?

Mit diesem Bewusstsein im Hinterkopf versuchte er, einen Politikansatz zu finden, der jeden Einzelnen besserstellen w¨¹rde. Doch seine Antwort darauf ist so einfach wie frustrierend:
?Es ist unm?glich.? Doch selbst wenn wir das, was einige vielleicht eine Utopie nennen, nicht erreichen k?nnen, k?nnen wir nach Ansicht von Arrow zumindest die Eckpfeiler der bisherigen Politik von Grund auf erneuern und modernisieren. Um das zu erreichen, muss die Menschheit noch eine ganze Reihe weiterer Fragen beantworten.

Wie sieht die L?sung f¨¹r das US-Haushaltsdefizit aus?

Arrow, dessen Arbeit sich auf Konjunkturprognosen konzentriert, ?usserte Zweifel an den aktuellen und zuk¨¹nftigen Entwicklungen in der Politik. ?Es gab eine massive Absenkung der Steuers?tze, was meiner Meinung nach etwas zu weit ging?, kritisierte er. Der Anstieg des Haushaltsdefizits in den USA in den 1980er Jahren und mehrere Male danach habe nur wenige bis gar keine Verbesserungen gebracht. Arrow macht geltend: ?Um das Problem in den Griff zu bekommen, m¨¹ssten die Steuern angehoben werden. Vor allem die Mineral?lsteuer ist viel zu niedrig.?

Der Vorteil einer Umsetzung von Arrows Vorschl?gen f¨¹r die Gesellschaft l?ge in der damit verbundenen gr?sseren Freiheit f¨¹r die Formulierung von Politikmassnahmen auf breiterer Ebene. Arrow nennt noch ein weiteres pers?nliches Beispiel: ?Ein Haushaltsdefizit erschwert Gespr?che ¨¹ber einen grossz¨¹gigeren Umgang mit armen Menschen.?

Warum das Haushaltsdefizit den Armen nicht hilft

Setzt die US-Regierung vorhandene Mittel falsch ein?

Arrows hatte eine starke Meinung in Bezug auf staatliche Unterst¨¹tzung: Sie gibt bestimmten, nicht profitablen Aktivit?ten den Vorzug. ?Die Wasserreservoirs in den USA sind ein spezifisch amerikanisches Ph?nomen. Sie sind im Wesentlichen auf unwirtschaftlichen Grundlagen geplant und gebaut worden.? Das bedeutendste und schwer verst?ndlichste Merkmal fortgeschrittener Volkswirtschaften war f¨¹r Arrow allerdings der stark subventionierte Agrarsektor.

L?sst sich ¨¹berhaupt eine gerechte Ressourcenverteilung erreichen?

?Ein Wirtschaftszweig, der so viel Geld verbrennt, sollte nochmals auf den Pr¨¹fstand gestellt und zur¨¹ckverfolgt werden.? Die USA sind jedoch nicht die einzige fortschrittliche Volkswirtschaft in der Welt, die ihre Landwirte derart stark subventioniert. L?nder wie Deutschland, Frankreich und Japan folgen diesem Beispiel. Nach Arrows Meinung zeigt dies, wie das Eingreifen der Regierungen in den Markt sowohl das Haushaltsdefizit weiter verst?rkt als auch zu einer schwerwiegenden Fehlallokation der Ressourcen f¨¹hrt.

Anstatt unfruchtbare, und noch dazu unrentable, bestehende B?den zu bewirtschaften, pl?diert Arrow daf¨¹r, bessere Bildungsbedingungen f¨¹r die Zukunft zu schaffen.

Wie ebnet man den Weg f¨¹r Entwicklung?

Ein grosses Hindernis f¨¹r die wirtschaftliche Entwicklung ist nach Einsch?tzung von Arrow in vielen F?llen die jeweilige Innenpolitik der L?nder. ?Ich denke, man kann die L?nder, in denen eine Entwicklung stattgefunden hat, von denen, die sich nicht weiterentwickelt haben, anhand des Zentralisierungsgrads ihrer Planungsaktivit?ten unterscheiden.? W?hrend Arrow hervorhebt, dass eine zentralisierte Planung wohl der Hauptgrund f¨¹r die R¨¹ckst?ndigkeit vieler Entwicklungsl?nder ist, betont er zugleich, dass der Weg zu mehr Fortschritt nicht in der sofortigen Industrialisierung besteht.

In seinen Augen ist das ?eine Falschaussage. Die fortschrittlichen Nationen sind hoch industrialisiert, das stimmt. Das heisst aber nicht, dass die Industrialisierung um jeden Preis das richtige Mittel ist, um ein fortschrittliches Land zu werden.? Arrow konstatiert, dass ?landwirtschaftliche Produktivit?t der Schl¨¹ssel f¨¹r wirtschaftliche Entwicklung ist?, und dass ?die Entwicklung in den USA zu einem erheblichen Teil auf eine ?usserst fortschrittliche Agrarwirtschaft zur¨¹ckzuf¨¹hren ist.?

Worin k?nnen wir heute investieren, um den Fortschritt unserer Kinder sicherzustellen? Und mit investieren meine ich nicht, in Ziegel und M?rtel, sondern Menschen. Wir brauchen wirtschaftliche Gerechtigkeit, gepaart mit einem effizienten ?ffentlichen Sektor, sowie eine produktive Allokation von Ressourcen.

Was k?nnen wir heute investieren

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Indien halte ich f¨¹r ein sehr gutes Beispiel. Dort hat man sich von dem Motto ?Industrialisierung ist alles? abgewendet hin zu einem agrarwirtschaftlichen Modell, bei dem die Bewirtschaftung von Land gef?rdert wird, indem Preissteigerungen zugelassen werden. Das Ergebnis war eine der schnellsten Produktivit?tssteigerungen in der Landwirtschaft, die es jemals in der Geschichte gegeben hat.

Das Aufregendste im Leben war f¨¹r Arrow, das Offensichtliche zu analysieren und dabei das nicht so Offensichtliche zu entdecken und Verbindungen zwischen Dingen zu erkennen, die nicht miteinander verbunden zu sein scheinen. ?Das ist eine spannende Sache. Und meine Hoffnung ist, Studierende zu animieren, ¨¹ber Fragen nachzudenken, die sie sich noch nie zuvor gestellt hatten.?

Die Tatsache, dass Kenneth Arrow von vielen Studierenden heute als der interessanteste ?konom aller Zeiten gesehen wird, nun, der w¨¹rde Arrow wohl ein L?cheln entlocken.

Warum sollten L?nder bessere Wege finden, um zu wachsen?

H?ren Sie dazu die Meinung von Michael Spence und wie L?nder nachhaltiges Wachstum generieren und dabei langfristig einen positiven Effekt erzeugen k?nnen.

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