
Daniela Jorio, Leiterin Nachhaltigkeit, Real Estate Switzerland

Urs Fäs, Leiter Immobilienfonds, Real Estate Switzerland
Mehr als zehn Jahre Nachhaltigkeit
Mehr als zehn Jahre Nachhaltigkeit
Im Gespräch geben Daniela Jorio, Leiterin Nachhaltigkeit, und Urs Fäs, Leiter Immobilienfonds, Einblick in die Weiterentwicklung der Nachhaltigkeitsstrategie von Real Estate Switzerland. Sie sprechen über erreichte Meilensteine, neue regulatorische Anforderungen und die Bedeutung von Transparenz für Anlegende. Sie erklären, warum sie insbesondere auf lokale Standards setzen und welche Themen in den kommenden Jahren an Relevanz gewinnen werden.
Wie hat Ihre Reise in Richtung Nachhaltigkeit begonnen?
Wie hat Ihre Reise in Richtung Nachhaltigkeit begonnen?
Urs Fäs:
Wir waren vor mehr als zehn Jahren bereits überzeugt, dass Nachhaltigkeit eine Voraussetzung für den langfristigen Geschäftserfolg ist. Das Interesse am Markt war noch verhalten und das Verständnis von Nachhaltigkeit im Immobilienbereich vor allem durch den Minergie-Standard geprägt. Trotzdem hatten wir die Ambition, unser gesamtes Immobilienportfolio so auszurichten, dass es auch den Bedürfnissen der nächsten Generationen entspricht. Wir haben uns also einen ܲú±ð°ù²ú±ô¾±³¦°ì verschafft, unsere Prioritäten gesetzt, Umsetzungsstrategien entwickelt und Teiletappen definiert. Relativ schnell war uns klar, dass wir einen langen Atem brauchen.
Daniela Jorio:
In den vergangenen zehn Jahren haben wir wertvolle Erfahrungen gesammelt. Erste Pionieransätze halfen uns dabei, Kriterien zur Messung von Nachhaltigkeit zu definieren. Ein Beispiel ist das Gütesiegel «greenproperty», das von der Credit Suisse für ihre Schweizer Immobilienanlagen entwickelt wurde und erstmals ermöglichte, die Nachhaltigkeit von Anlageportfolios ganzheitlich zu bewerten. Ebenso zählt unsere frühe Teilnahme an (Global Real Estate Sustainability Benchmark) dazu – einer internationalen Initiative, die in der Branche seit 2009 wichtige Impulse setzt. Da es damals keine etablierten Standards gab, haben wir eigene Massnahmen definiert. Viele davon sind heute fest in unsere Alltagsprozesse integriert.
An welchen Nachhaltigkeitsstandards orientieren Sie sich?
An welchen Nachhaltigkeitsstandards orientieren Sie sich?
Urs Fäs:
Gebäude in der Schweiz verursachen gemäss dem Bundesamt für Umwelt (BAFU) rund ein Viertel der gesamten Treibhausgasemissionen, wobei Heizsysteme den grössten Einflussfaktor darstellen. Deshalb haben wir für den Betrieb unserer Immobilien ein Netto-Null-Ziel (für Scope 1 und 2) bis 2050 gesetzt. Seit 2022 ist dieses Ziel fest in unseren Fondsverträgen und Anlagerichtlinien verankert und bildet die Grundlage für individuelle Absenkpfade pro Portfolio. Daraus haben wir konkrete Massnahmen für die Reduktion der CO2- und Energieintensität sowie den Ausbau der erneuerbaren Energien abgeleitet. Wir setzen auf transparente, quantitative Zwischenziele, die messbar und vergleichbar sind und berichten jährlich über unsere Fortschritte in den Jahresberichten der einzelnen Produkte, in unserer ±·²¹³¦³ó³ó²¹±ô³Ù¾±²µ°ì±ð¾±³Ù²õ²ú°ù´Ç²õ³¦³óü°ù±ð sowie auf unserer Website.
Inwiefern orientieren sich diese Offenlegungen an Branchenstandards?
Inwiefern orientieren sich diese Offenlegungen an Branchenstandards?
Daniela Jorio:
Die Real Estate Investment Data Association (REIDA) hat für den Schweizer Markt einen CO2-Benchmark lanciert, welcher jene Kennzahlen liefert, die für die Erreichung der Klimaziele entscheidend sind. Dabei handelt es sich um eine Non-Profit-Organisation, die sich zum Ziel gesetzt hat, die Datenlage im Schweizer Immobilien-Anlagemarkt kontinuierlich zu verbessern. Der CO2-Benchmark basiert auf real gemessenen Verbrauchsdaten, weshalb wir mit unseren Produkten seit 2022 aktiv daran teilnehmen.
Besonders wertvoll ist das REIDA-Methodenpapier, das seit 2022 eine einheitliche Berechnung sicherstellt – und das nicht nur für CO2-Emissionen und -Intensität, sondern auch für die genannten weiteren zentralen Daten, also Energieverbrauch und -intensität, Energieträgermix (Anteil erneuerbarer Energien) und Datenabdeckungsgrad. Die Methode hat sich in dieser kurzen Zeit bereits zum Standard auf dem Schweizer Markt etabliert. Sie ermöglicht eine einheitliche Berechnung der «Umweltrelevanten Kennzahlen», die die Asset Management Association Switzerland (AMAS) sowie die Konferenz der Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer von Anlagestiftungen (KGAST) empfehlen.
Warum legen Investorinnen und Investoren so grossen Wert auf Transparenz und Vergleichbarkeit?
Warum legen Investorinnen und Investoren so grossen Wert auf Transparenz und Vergleichbarkeit?
Urs Fäs:
Transparenz schafft Vertrauen und ermöglicht fundierte Anlageentscheidungen. Unsere Anlegerinnen und Anleger sowie Analystinnen und Analysten erwarten effektive, vergleichbare Kennzahlen. Gleichzeitig profitieren auch unsere Mitarbeitenden von einer gemeinsamen Gesprächs- und Entscheidungsgrundlage.
Daniela Jorio:
In den letzten Jahren sind diverse Standards, Labels, Ratings, Benchmarks und Initiativen mit einer Vielzahl von Kriterien auf den Markt gekommen. Sie haben dazu beigetragen, eine Struktur zu schaffen und Nachhaltigkeit in der Breite sichtbar zu machen. Allerdings hat die fehlende Konsolidierung den ܲú±ð°ù²ú±ô¾±³¦°ì über dahinterstehende Messgrössen und Methoden auch erschwert. Wir fokussieren deshalb auf wenige, aber aussagekräftige und relevante Kennzahlen.
Mit der AMAS-Selbstregulierung, dem REIDA-Benchmark und den CO2-Absenkpfaden schaffen wir Transparenz und Vergleichbarkeit, abgestimmt auf Schweizer Standards. Zusätzlich legen wir unsere Portfolio-Informationen über den Fragebogen von Swiss Sustainable Finance (SSF) offen und ermöglichen Anlegerinnen und Anlegern damit einen strukturierten, standardisierten ܲú±ð°ù²ú±ô¾±³¦°ì. Im Übrigen ein sehr schönes Beispiel dafür, wie die Branche das Thema gemeinsam weiterentwickelt.
Unsere Investorinnen und Investoren erwarten Transparenz und Wirkung – deshalb setzen wir auf messbare Fortschritte.
Inwiefern spielen auch globale Benchmarks eine Rolle?
Inwiefern spielen auch globale Benchmarks eine Rolle?
Daniela Jorio:
Die Schweiz ist im internationalen Vergleich gut aufgestellt. Zudem sind unsere in der Schweiz domizilierten Anlagelösungen überwiegend im Heimmarkt investiert und sprechen typischerweise inländische Anlegerinnen und Anleger an. Deshalb orientieren wir uns bewusst an der nationalen Gesetzgebung und lokalen Standards, die sich über die letzten Jahre bedeutend weiterentwickelt haben.
Seit 2009 hat GRESB einen wichtigen Beitrag zur Messbarkeit und Vergleichbarkeit von Nachhaltigkeit im Immobiliensektor geleistet. Unsere Teilnahme hat uns geholfen, Prozesse zu schärfen und relevante Kennzahlen systematisch zu erfassen. Die Ergebnisse aller Fonds unseres kombinierten Portfolios spiegeln unser Engagement wider.
Inzwischen haben neue regulatorische Anforderungen die Transparenz weiter erhöht. In der Schweiz haben insbesondere die AMAS-Umweltkennzahlen, die REIDA-Methodik und das empfohlene KGAST- und ASIP-Reporting für Anlagestiftungen und Pensionskassen neue Grundlagen für einheitliche und vergleichbare Nachhaltigkeitsdaten geschaffen. Wir orientieren uns vermehrt an diesen praxisnahen lokalen Standards und werden 2026 deshalb nicht an GRESB teilnehmen. Diese Entscheidung betrifft nur die Schweizer Immobilienanlageprodukte, während das globale Immobiliengeschäft von ÃÛ¶¹ÊÓÆµ Asset Management weiterhin teilnimmt.
Urs Fäs:
Im Austausch mit unseren Anlegerinnen und Anlegern haben wir gemerkt, dass eine Vielzahl an Kriterien den Dialog über relevante Nachhaltigkeitsthemen erschwert. Deshalb möchten wir auf Aspekte und Kriterien fokussieren, die konkrete Fortschritte bei der nachhaltigen Weiterentwicklung von Liegenschafts-Portfolios erfassen. Man könnte auch sagen, dass wir uns stärker fokussieren und weniger verzetteln wollen.
Wie gestalten Sie die Zukunft aktiv mit?
Wie gestalten Sie die Zukunft aktiv mit?
Urs Fäs:
Neben der Betriebsenergie gewinnen Themen wie soziale Nachhaltigkeit, Biodiversität, die Resilienz von Liegenschaften sowie die Reduktion grauer Energie an Bedeutung. Wir wollen auch hier nicht nur mitziehen, sondern vorangehen. Auch darauf wollen wir unsere Ressourcen fokussieren.
Berücksichtigt man den gesamten Lebenszyklus von Liegenschaften – vom Bau über den Betrieb bis hin zum Rückbau – so verursachen diese knapp die Hälfte des schweizweiten Abfallaufkommens. Als Gründungsmitglied der «Charta für kreislauforientiertes Bauen» entwickeln wir deshalb einen Plan, um graue Emissionen zu erfassen und zu reduzieren, die Kreislauffähigkeit von Sanierungen und Neubauten zu messen und stark zu verbessern.
Daniela Jorio:
Der Klimawandel ist spürbar – auch in der Schweiz gibt es mehr Hitzetage, städtische Hitzeinseln und extreme Niederschläge. Deshalb ist es wichtig, Aussenräume ökologisch aufzuwerten und resilienter zu gestalten, indem wir zum Beispiel versiegelte Flächen vermeiden. Während Neubauten oft bereits hohe Standards erfüllen, liegt im Bestand grosses Potenzial. Diese Themen sind auch für unsere Mieterinnen und Mieter von Relevanz, das motiviert uns für konkrete Projekte. Unser Ziel sind messbare Fortschritte. Nur was messbar ist, lässt sich gezielt verbessern.
Wie stellen Sie sicher, dass diese ambitionierten Nachhaltigkeitsziele langfristig auch zur Performance der Fonds beitragen?
Wie stellen Sie sicher, dass diese ambitionierten Nachhaltigkeitsziele langfristig auch zur Performance der Fonds beitragen?
Urs Fäs:
Nachhaltigkeit und Performance sind für uns kein Widerspruch. Im Gegenteil: Wer heute in Energieeffizienz, CO₂-Reduktion und resiliente Gebäude investiert, schont nicht nur die Umwelt, sondern auch den Wert seiner Anlagen. Unsere Nachhaltigkeitsziele sind deshalb eng mit unserer Portfoliostrategie verknüpft. Wir investieren gezielt dort, wo Massnahmen echten Mehrwert schaffen und gleichzeitig zur Stabilität und Attraktivität unserer Fonds beitragen.
Dabei behalten wir die Risiken im Blick: Sowohl die physischen Risiken, wie Hitzewellen oder Starkregen, als auch die transitorischen Risiken, die sich aus dem ܲú±ð°ùgang zu einer CO2-armen Wirtschaft ergeben. Wir überprüfen diese jährlich und treffen Massnahmen, um unsere Absenkpfade bei Bedarf anzupassen.
Bei der Umsetzung unserer Ziele spielen unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine entscheidende Rolle. Ihre Haltung und Expertise sind ein wesentlicher Teil der gelebten «Walk-the-Talk»-Mentalität.
Woran arbeiten Sie aktuell?
Woran arbeiten Sie aktuell?
Daniela Jorio:
Wir arbeiten intensiv daran, unser Netto-Null-Ziel für die Betriebsenergie bis 2050 zu erreichen. Dafür integrieren wir Nachhaltigkeit über den gesamten Lebenszyklus unserer Immobilien hinweg: Wir optimieren den Energieverbrauch in unseren Gebäuden, bauen erneuerbare Energien aus und bemühen uns den Anteil grauer Treibhausgasemissionen zu verringern.
So haben wir uns bereits 2017 vorgenommen, 100 Photovoltaikanlagen zu realisieren. Dieses Ziel wurde 2021 erreicht und fliesst inzwischen in alle Anlageentscheidungen ein. Laut Bundesamt für Umwelt (BAFU) werden nach wie vor über 50% der Schweizer Wohngebäude mit Öl oder Gas beheizt. Während wir im Bereich energetischer Sanierungen bereits über fundiertes Know-how verfügen, gibt es Themen, bei denen wir gemeinsam mit Gleichgesinnten erst noch Erfahrungen sammeln.
Urs Fäs:
Unsere Vision ist ein Schweizer Gebäudepark, der ökologisch, ökonomisch und gesellschaftlich zukunftsfähig ist. Mit über 2000 Liegenschaften im Portfolio fühlen wir uns verpflichtet. Unser Anspruch ist klar: Wir wollen den Wandel im Immobilienbereich aktiv vorantreiben, mit konkreten Massnahmen, messbarem Fortschritt und dem klaren Ziel, «Best in Progress» zu sein.
Wir verstehen Nachhaltigkeit als integrative Unternehmensaufgabe mit dem Ziel, als verantwortungsvoller Investor heute einen Beitrag für die Zukunft zu leisten.